Dienstag, 21.12.2004

 

Ja, ich weiß, ich bin schlampig. Aber die Weihnachtsvorbereitungen ….

Manchmal denke ich, es ist gar nicht gut, Tagebuch zu schreiben. Jedes Mal, wenn man es später liest, wird alles wieder aufgerührt.

Aber manchmal ….

 

Heute habe ich einen Engel getroffen. Und wenn er kein Engel ist, dann wenigstens ein glücklicher Mensch. Das gibt es – wirklich – ich hab’s mit eigenen Augen und Ohren gesehen und gehört.

Diese Sonne – ich habe es nicht mehr ausgehalten, ich musste raus. Nachdem ich am Vormittag den Weihnachtsputz weiter betrieben und dabei heftig vor mich hin geschimpft hatte, konnte mich dann auf einmal nichts mehr halten.

Ich überlegte mir ein paar Kleinigkeiten, die ich besorgen müsste und die vor allen Dingen nicht zu schwer zum Herumtragen sein würden und machte mich auf den Weg. Die Dezembersonne war ganz warm.

Von weitem sah ich einen alten Mann kommen, der einen Kinderwagen schob. Ich überlegte an einem Spruch, den ich ihm mitgeben könnte, da war er auch schon ran. Und sprach mich an. Ich hatte gerade beschlossen, ihn unbehelligt ziehen zu lassen, weil er mir plötzlich zu jung zum Anquatschen schien. Doch dann sah ich es, er war alt. Aber so sorgenfaltenlos, dass es schon fast wieder unnormal wirkte.

Er hätte gedacht, ich sei entweder die Gattin eines betuchten Professors oder arbeitslos. Nur Letzteres konnte ich bestätigen. Das erste wird ja nun auch nichts mehr werden! Nachdem er mich ein bisschen bedauert hatte, begann er sofort von sich zu erzählen. Von dem alten Haus, das sie alle zusammen auf Vordermann gebracht hätten und jetzt gemeinsam bewohnten. Mit der Tochter. Dass er glücklich sei, jeden Morgen wieder. Er zeigte mir das halbdunkle, süße Kindchen in dem Wagen und wer weiß aus welchem Grund, vielleicht konnte er in mich hineingucken, sprach er von der  Liebe und vom Durchhalten. Man solle nie aufgeben!  Eine Frau habe immer Mittel, ihren Mann zurück zu gewinnen und wenn es nur ein liebes Wort sei, das sie sagt, es würde ganz sicher auf fruchtbaren Boden fallen. Und wenn, fragte ich, alle guten Worte von ihr kämen und keines von ihm? Das wäre schlimm, sagte er. Er sagte nicht: hoffnungslos, aber er hätte es gern gesagt. Das wäre eine Missachtung der Liebe.

Er hatte das auch durch mit seiner Frau, aber zu seinem großen Glück habe sie es ihm verziehen. Zu seinem riesengroßen Glück!

Es ist mir fast peinlich zu gestehen, dass ich einen Moment an dem Mann zweifelte, daran ob er „ganz dicht“ sei.

Ich schäme mich dafür.

Ich wünsche  ihm nur, dass er so glücklich bleiben kann und dass das Minus als Preis für sein Plus schon war.

Und ich frage mich natürlich: Sieht man es mir jetzt schon an? Sieht man mir an, dass ich nicht glücklich bin?