Dienstag 31.08.2004
Gehört die neue Erkenntnis nun schon zum neuen Tag?
Gestern sind wir um vierundzwanzig Uhr schlafen gegangen, als mir die Erkenntnis kam, war es nach null Uhr. Also gehört sie in diesen Tag.
Die Erkenntnis lautet: Männer und Frauen kommen nur dann gut miteinander aus, wenn der eine dom und der andere dev ist. Mit dem Horoskop hat das gar nicht so viel zu tun.
Das ist nämlich genau das Problem: Thomas und ich, wir sind beide dom. Deshalb kommen wir nicht harmonisch miteinander aus. Nicht wegen unserer konträren Sternzeichen. Sehr zufrieden mit meinem Geistesblitz schob ich Thomas’ Kopf, der schwer auf meiner Schulter schlief, behutsam auf seine Seite muss daraufhin selbst eingeschlafen sein.
Der Morgen begann wie jeder Morgen mit dem lauten, fröhlichen Radiowecker, den ich schon mehrmals mit dem Hausschuh erschlagen hätte, wenn ich nicht so ein schlechter Schütze wäre. Ich dankte Gott, als Thomas sich nach einer unendlichen Zeit von mindestens zwanzig Minuten zum Aufstehen durchgerungen hatte. Das Radio wurde ausgemacht, die Tür von außen zu und mein morgendlicher Schönheitsschlaf konnte seinen Lauf nehmen. Das Wort „Schönheitsschlaf“ ist übrigens in dem Zusammenhang völlig fehl. So grausam wie ich danach aussah, kam ich mir lange nicht mehr vor.
Der Vormittag ging schnell vorbei, am Computer und mit Kartenspielen. Eine neuerliche Verfehlung, ich weiß. Dafür verlief der Nachmittag ungewöhnlich ereignisreich. Johannes nahm mich, bevor er zum Essen fuhr, mit in die Stadt wo ich um zwei mit Thomas an der Sparkasse verabredet war. Wir wollten einige unserer Reichtümer auf Aktienfonds verteilen. Doch bis es soweit war, hatte ich eine Menge Zeit. Über zwei Stunden sind für unsere kleine Stadt ausreichend, um alle infrage kommenden Geschäfte mehrmals abzuklappern. Mit Hilfe meines Merkzettels arbeitete ich Position für Position ab. Mein erster Einkauf bestand aus drei reduzierten Tangas und Sneakersocken. Davor hatte ich im Sportgeschäft zweiteilige Badeanzüge anprobiert. Falls ich davor gute Laune gehabt haben sollte, war sie danach weg. Immer wieder ärgere ich mich maßlos über die engen Anprobekabinen, in deren Spiegel man sich so nah und bei dermaßen unvorteilhaftem Licht betrachten m u ß, will man die Passform begutachten, dass man ab sofort jeder Nahrungsaufnahme abschwören möchte. Die Bikinis sahen jedenfalls nicht gut an mir aus. Ins Kaufhaus, in dem ich schon die Slips und die Socken gekauft hatte, ging ich ein zweites Mal, weil ich auch dort einen Badeanzugsständer vermutete. Ich probierte wieder mit demselben Effekt an. Im einzigen Schuhgeschäft, in dem ich je was gekauft habe, erstand ich ein Paar Zehensandaletten zu einem reduzierten Preis, probierte in einer Boutique zwei Größen eines Kleides an, von denen mir das schmalere passte. Mein Selbstwertgefühl wurde um eine Winzigkeit gehoben. Außerdem sollte ich mir Badeschuhe besorgen, falls der Strand im Urlaub steinig ist und musste blaue nehmen, weil die besseren schwarzen nur in Männergrößen herumstanden. So langsam wurde es dann Zeit, zur Sparkasse und somit zu unserem Treffpunkt zu gehen. Thomas war direkt schon da! Wir verstauten noch schnell meine Einkäufe im Auto und suchten dann unsere Sparkassenberaterin, eine nette junge Frau, die ich bereits von einem früheren Termin kannte, auf. Sie warf mit einigen Schlagworten aus der Börsensprache um sich, deren Zusammenhang ich nicht mal richtig begriff. Zum Glück wusste Thomas ganz gut Bescheid, denn er hatte sich bereits zu den Anlageformen beraten lassen. Da ich wie gesagt die junge Frau kannte, wechselten wir auch einige Worte fernab des Finanzgeschäftes. Wohin wir im Urlaub fahren, wollte sie wissen, und als ich „Korfu“ sagte, leuchteten ihre Augen und sie erzählte gleich, dass ich unbedingt das Schloss von der Kaiserin Sissy besuchen solle. Thomas brauste – es sollte neckisch ankommen – auf, sie solle mir mal keinen Floh ins Ohr setzen, sonst wolle ich noch dahin. Diese Reaktion quittierte die Dame, unsympathisch war sie mir ja noch nie, mit echtem Unverständnis gegen Thomas und Mitgefühl für mich. Wie dankbar war ich ihr. Und gleich noch einmal outete sich mein lieber Mann. Es ging um eine eventuelle Partnerkarte für seine Kreditkarte. Er ließ blicken, dass es dabei ja wohl sehr auf seine Gnade ankäme, was auch stimmt, aber kein normaler Mensch sagt so was auch noch! Wieder reagierte die entzückende junge Frau solidarisch, was sie mir einen weiteren Meilenstein näher brachte. Sie entgegnete etwas, das so entrüstet klang, dass sogar Thomas merkte, wie er sich ins schlechte Licht gerückt hatte. Noch auf der Straße machte er seine Witze darüber, aber ich kenne ja schließlich Thomas. Ich war hochbefriedigt, dass er mal nicht mit seiner wie-schön-ich-meine-Frau-vorführen-kann-Tour angekommen war. Ziemlich schuldbewusst kauften er dann die Badetasche, die ich ausgesucht hatte, den Mückenvernichter und für sich die Schuhe, die er erst gar nicht wollte, aber die ich ihm empfohlen hatte. Diesem Nachmittag konnte nichts mehr passieren, außer ich hätte mich wieder an seine nette Art erinnert …
Der Abend verging mit Pizzaessen, schreiben, spielen, fernsehen und draußen mit Regen.