Freitag, 27.08.2004
Nun hat es auch mich erwischt. Halsschmerzen, ein bisschen Schnupfen. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Thomas mich angesteckt hat. Am Nachmittag wird er es abstreiten und mir wortreich erklären, warum das nicht möglich sei. Ich werde ihm nicht glauben, mit Salzwasser gurgeln und Tabletten lutschen.
Trotz meiner Erkrankung holte ich das Fahrrad aus dem Keller. Bevor ich losfuhr suchte ich zuerst eine geschlagene halbe Stunde meine lange Radlerhose, dann aß ich ein paar Kohlenhydrate, damit die Fettverbrennung angestoßen werden kann, trank einen Eimer Wasser, wie Lance vor der Tour und fuhr, obwohl es sich inzwischen zugezogen hatte und der Himmel eher nach Regen aussah, als nach Fahrradfahren, los. Ich nahm meine übliche Strecke unter die Räder und an einer kleinen Kreuzung einem Auto fast die Vorfahrt. In gewisser Weise war ich diesem Moment der Meinung gewesen, dass ich fahren dürfe. Von einigen Anstiegen und dem Wind und meinem Unwohlsein und den grauen Wolken ganz erschöpft, änderte ich den Tourenplan, indem ich ihn verkürzte. Zuhause setzte ich den Kaffeeautomaten in Gang und schaltete den Computer ein.
Die Zeitung wollte ich nicht lesen um mir von ihr nicht wieder den Tagesanfang vermiesen zu lassen. Aber die letzte Seite mit dem Horoskop und etwas Promi-Klatsch sah ich mir doch an. Heute, so stand in meinem Skorpion-Horoskop, würden die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Na dann nichts wie ran an die Online-Bewerbung als Schriftstellerin. Stunden später war mein Entwurf zufrieden stellend und ich konnte auf „Senden“ drücken.
Uff. Jetzt konnte sich der lang ersehnte Erfolg einstellen.
Die nächste Tätigkeit war noch unangenehmer. Der Rechtsanwalt, den ich zu Jahresbeginn konsultiert hatte, weil ich nicht wusste, ob nun gegen meinen treulosen Arbeitgeber wegen der Kündigung klagen oder nicht, hat mir nach Ablauf von sieben lappigen Monaten eine Rechnung geschickt, die wie alle Rechtsanwaltsrechnungen viel zu hoch war. Darüber hinaus war überhaupt kein Honorar vereinbart worden, ganz im Gegenteil. Es koste erst, versprach er mir damals, wenn ich klagen würde. Und nun dieses! Natürlich war ich empört, als ich den Brief gelesen hatte. Doch seitdem war schon wieder ein Monat vergangen und Thomas sagte, ich soll ihm einen saftigen Antwortbrief schicken und natürlich keinen Pfennig bezahlen.
Damit hatte er auch schon die Sache in die Hand genommen.
Ich mailte ihm, Thomas, meinen Entwurf ins Büro und damit war ich die Geschichte bis zum Marke aufkleben los.
Johannes ist schon den dritten Tag hintereinander nicht zum Essen in die Mensa gegangen. Da ich abmagern will, konnte ich mich um seine Versorgung nicht kümmern, so dass er eigenverantwortlich kochen musste. Einmal gab es trockene Nudel – er verschmäht die so leckere Butter darin, ein anderes Mal eine Pizza aus der Tiefkühltruhe. Heute bot ich ihm ein Mittagessen an. Das Hungern konnte mir gestohlen bleiben, wenn man davon zu- statt abnimmt. Bratkartoffeln mit Gurkensalat gab es.
Den Nachmittag verbrachte ich schreibend an meinem Laptop, bis viel früher als erwartet Thomas nach Hause kam. Ich hatte mit Web-Hilfe ein kleines Wörterbuch für unseren Urlaub zusammen gestellt, Thomas brachte eine übersetzte Speisekarte mit und die unfrohe Kunde, dass in einer Woche, also dann wenn wir los fliegen, das Wetter auf Korfu in Regen übergehen würde. Und dass es meine Schuld sei, weil ich ja unbedingt dahin wollte und nicht zum Beispiel nach Rhodos, wo es viel, viel besser würde. Ich werde trotzdem das kleine Wörterbuch ausdrucken.
Gibt es auch mal wieder keinen Betrug? Am meisten ärgert es mich ja, dass ich mir so viel Mühe mit der Bewerbung als freier Schriftsteller gegeben habe. Es war nur ein Lockvogelangebot. In Wahrheit handelt sich um eine Bücherauktion im Internet für die ich, eine ernsthafte Schriftstelleranwärterin, Artikel, also Bücher, einstellen und auch verschicken soll. Ich werde mir die ganze Sache aber wenigstens mal durchlesen und Johannes zeige ich es auch, der kennt sich mit Internetversteigerungen am besten aus in unserer Familie. Und dann werde ich es wahrscheinlich wieder nicht machen, wie alles. Ich dachte mir gleich nichts Gutes, als zwei Stunden nachdem ich meine Mail losgeschickt hatte, schon eine Antwort da war!
Den freitäglichen Fernsehabend habe ich gebucht für eine Vorpremiere eines deutschen Filmes auf Arte. Endlich mal was anderes als Olympia.
Sehenswert war der Film, doch wie immer stammten die Figuren aus echt guten Verhältnissen. Die hatten Wohnungen, die sehr zum Sehenswert des Filmes beitrugen, allerdings in meinen Augen unreal waren. So gestylt und riesengroß. Klar ist eine unheilbare Krankheit das Schlimmste, aber die Krankheit hätte weniger böse und dafür das Umfeld der Handlung realistischer sein können.
Aber egal – heulen konnte ich wie ein Schlosshund und wenigstens nicht auf meine Kosten.